Schwabinger
Friedensinitiative
Zum Begriff Deutsche Leitkultur!
Überflüssige und harmlose Debatte ?
Seit einigen Wochen steht dieser Begriff im Zentrum
der öffentlichen Diskussion, eingeführt vom CDU-Fraktionschef
Merz. Manchen in der CDU scheint er peinlich zu sein und es gibt mehr oder
weniger halbherzige Distanzierungen, dann wird er aber doch in die CDU-Leitlinien
zur Zuwanderung hineingeschrieben. Was steckt dahinter? Einmal hat die
nationalkonservative Rechte damit wieder einmal das Thema der öffentlichen
Diskussion bestimmt, wie schon bei der unseligen Asyldebatte der frühen
90er, der Doppelpass-Kampagne der hessischen CDU vor zwei Jahren und dem
unsäglichen `Kinder-statt-Inder'-Wahlkampf des Herrn Rüttgers.
Es wird offen vorgeschlagen, die `Ausländerproblematik' zum Thema
des nächsten Bundestagswahlkampfs zu machen, nachdem das in Hessen
schon so gut funktioniert hat. Dazu will die CDU-Vorsitzende Merkel `Patriotismus'
und `Verhältnis zur Nation' zum Thema machen. Die Spekulation auf
Ressentiments und der unterschwellige Appell an üble Instinkte bei
gleichzeitigen Lippenbekenntnissen gegen `Rechtsextremismus' hat leider
in unserem Staat eine lange Tradition.
Der Begriff "Leitkultur"
Zweifellos ist der Begriff ziemlich schwammig. Das ist
wohl auch beabsichtigt. So lässt sich bei Kritik immer sagen, so hätte
man es ja gar nicht gemeint. Aber ein Begriff kann nicht mit beliebigem
Inhalt gefüllt werden, sondern durch die Verwendung von bekannten
Bestandteilen wird dem Hörer immer eine gewisse Interpretation nahegelegt.
In dem Begriff "Leitkultur" steckt zuerst der Bestandteil
"leiten", den jeder versteht. Etwas schwieriger wird es mit der Kultur.
Will man darunter z.B. Dürer, Goethe, Schiller verstehen, so zeigt
sich schnell, dass die meisten Deutschen sich von dieser Kultur nicht leiten
lassen. Oder meint man vielleicht die Gesamtheit der Sitten und Gebräuche?
Zum Glück gab es hier nie Einheitlichkeit, gerade in unserem Land,
das historisch aus so vielen Teilstaaten mit unterschiedlicher Tradition
zusammengefügt wurde. Und hoffentlich wird es eine solche Einheitskultur
auch nie geben. Die Vorstellung, dass es so etwas wie eine leitende Kultur
geben soll, an die sich Zuwanderer anpassen sollen, ist nicht nur chauvinistisch
sondern auch absurd.
Auf näheres Befragen kommen die Befürworter
dieser Idee auch ziemlich schnell ins Schwitzen. Keiner traut sich zu sagen,
dass er damit die eigene spießige Lebensweise meint, und so wird
abgewiegelt, es ginge dabei nur um Selbstverständlichkeiten wie die
Anerkennung des Grundgesetzes, das Erlernen der gemeinsamen Sprache, die
Gleichberechtigung der Frauen, oder gar als Gipfel des Absurden, um die
Tradition der Aufklärung!
In CSU-Kreisen interpretiert man die Leitkultur eher
klerikal-konservativ als christlich-abendländische Tradition, gegen
die moderne Prinzipien wie die Trennung von Religion und Staat ja gerade
durchgesetzt werden mussten. Immer aber steckt dahinter, die eigene Tradition
für besser, überlegen, eben leitend oder führend auszugeben,
und von Zuwanderern zu verlangen, dass sie damit letztlich die Minderwertigkeit
ihrer eigenen Kultur akzeptieren.
Was kommt bei diesem Begriff rüber?
An den Stammtischen, so rechnet man wohl, wird schon
das Richtige ankommen: Leitkultur als Bier und Schweinsbraten, als Karl
Moik und ordentlich geputzte Fenster. Und bei der CSU hat der sattsam bekannte
Innenminister Beckstein gleich weitergedacht: "Keine Minarette in Bayrischen
Dörfern!". Soviel also zur Herkunft des Begriffs aus der Aufklärung.
Richtig angekommen ist der Begriff auch weiter rechts, z. B. bei den Republikanern,
die Merz' Äußerungen gleich begrüßten und anboten,
ihm beizustehen. Im Grunde zeigt sich hier noch immer der Größenwahn
aus der Wilhelminischen Zeit, als es hieß: "Am deutschen Wesen soll
die Welt genesen". Die Gedankenwelt, die sich hier artikuliert, ist die
der ersten Strophe des Deutschlandliedes, die zum Glück nicht mehr
(noch nicht wieder?) offiziell gesungen wird.
Unterschwelliger Appell an Instinkte
Ganz bewusst wird diese Debatte im Zusammenhang mit
den Themen Zuwanderung und Asyl geführt. Da inzwischen auch die Wirtschaft
sieht, dass sie nicht genügend Fachkräfte aus dem eigenen Land
bekommen kann, wird nun von den gehorsamen Politikern dieser Wunsch aufgegriffen
und versucht (wenn auch halbherzig, befristet auf 5 Jahre), solche "erwünschten"
Zuwanderer anzulocken. Auch hier geht es aber wohl nicht ohne diskriminierende
Parolen mit Seitenblick auf die Stammtische: so griff CSU-Beckstein zur
menschenunwürdigen und unchristlichen Unterscheidung zwischen "Ausländern,
die uns nützen, und solchen, die uns ausnützen". Aus dieser Ecke
kommt dann auch die Forderung, das Grundrecht auf Asyl, das 1991 schon
böse verstümmelt wurde, ganz abzuschaffen. Die Forderung zur
Anpassung an die "deutsche Leitkultur" mutet den Zuwanderern die alleinige
Anstrengung der Integration zu und berücksichtigt nicht, dass Kultur
dynamisch ist, sich verändert und verändern muss, auch durch
den Beitrag der Zuwanderer. Es ist doch sehr zu hoffen, dass die Kultur
in diesem Lande nicht mehr die gleiche ist wie zur Zeit des Nationalsozialismus;
seien wir froh, dass die Alliierten sich 1945 nicht an die damals hier
herrschende Leitkultur angepasst haben!
Kommt zur
Adventsfackelaktion der Schwabinger Friedensinitiative
am 8.+15.12.2000 (Freitag) jeweils
um 18 Uhr am Siegestor!
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